Dass Wölfe seit einigen Jahren wieder verstärkt und von selbst in den österreichischen Alpenraum zurückkehren, ist eine Tatsache. Die Frage ist nicht, ob der Mensch das will oder nicht, sondern wie wir uns darauf einstellen und vorbereiten. Denn der Wolf ist ein geschütztes Tier und Teil unserer heimischen Artenvielfalt. Doch die Akzeptanz in der Bevölkerung ist der Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Rückkehr des Wolfes nach Österreich.
Warum brauchen wir den Wolf? Wie funktioniert das Zusammenleben mit dem Menschen? Und wie kann man verhindern, dass Wölfe Nutztiere reißen? Wir haben die häufigsten Fragen zur Rückkehr der Wölfe gesammelt und beantwortet.
Österreich als Lebensraum
Warum brauchen wir den Wolf in Österreich?
Wölfe sind als heimische Wildtiere ein wichtiger und natürlicher Bestandteil der österreichischen Artenvielfalt. Die Rückkehr des Wolfes ist somit aus Naturschutzsicht positiv zu bewerten. So hält der Wolf den Wildbestand in guter Kondition, denn Wölfe jagen vor allem jene Tiere, die sie leicht erbeuten können. Kranke oder schwache Tiere bemerkt der Wolf früher als die Jägerin bzw. der Jäger. Diese fallen dem Wolf daher eher zum Opfer als kräftige, gesunde Individuen.
Lungenwürmer, Leberegel und Krankheiten wie die Tuberkulose kann der Wolf eindämmen, indem er kranke Wildtiere erbeutet. Die Anwesenheit des Wolfes wirkt sich somit positiv auf die Gesundheit des Wildbestandes und auf den Menschen aus. Viele Tiere wie Seeadler oder Steinadler profitieren zusätzlich von den Beuteresten, die der Wolf übrig lässt.
Außerdem leben viele Tierarten von dem, was der Wolf ihnen von seiner Beute übrig lässt. Außerdem ist Österreich nach der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) gesetzlich dazu verpflichtet, sich um den Schutz und den Erhalt dieser bedrohten Tierart zu kümmern.
Woher kommen die Wölfe? Stimmt es, dass sie extra ausgesiedelt wurden?
Behauptungen, dass Wölfe gezielt ausgesetzt wurden sind frei erfunden und absurde Verschwörungstheorien. Ende des 19. Jahrhunderts waren Wölfen in vielen Regionen Europas ausgerottet. Vor allem strenge Schutzgesetze und die Zunahme der Wildbestände haben dazu geführt, dass die Restpopulationen an Wölfen, die es noch gab seit etwa 40 Jahren wieder zunehmen. Das hat Wölfen ermöglicht, viele ihrer ursprünglichen Vorkommensgebiete von selbst wiederzubesiedeln. So haben sich in Italien bereits in den 1990er Jahren Wölfe vom Apennin aus in die Alpen ausgebreitet.
Mittlerweile ist der italienische, französische und Schweizer Alpenraum flächendeckend von Wölfen besiedelt. Wölfe aus Ostpolen haben sich um das Jahr 2000 wiederum nach Westpolen und im Osten Deutschlands angesiedelt. In Slowenien haben sich Wölfe aus den Dinariden im Süden des Landes in Richtung Alpenraum im Norden ausgebreitet.
Woher weiß man, wie viele Wölfe in Österreich leben und woher sie stammen?
Aus den Spuren, die der Wolf hinterlässt. So kann etwa aus Speichelresten an gerissenen Beutetieren, Kot oder Haaren dessen Erbsubstanz (DNA) herausgelesen werden. Vorausgesetzt, die Probe ist frisch genug, lässt sich beispielsweise feststellen, ob es sich um einen Wolf handelt oder um einen Hund. Auch das Geschlecht des Tieres kann so ermittelt werden. Manchmal gelingt es auch, Wölfe auf einem Foto nachzuweisen. Diese Nachweise sind aber nicht zur individuellen Unterscheidung von einzelnen Tieren geeignet.
Dennoch können aus all diesen Daten Informationen zur Anzahl der Wölfe in Österreich gewonnen werden. Dabei handelt es sich immer um Richtwerte. In Österreich liegt die Zuständigkeit für Wildtiere bei den Behörden der jeweiligen Bundesländer. Die genetischen Analysen und andere Forschungsarbeiten werden am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) gemacht.
Hat der Wolf heutzutage überhaupt Platz in Europa?
Einst war Europa flächendeckend von Wölfen besiedelt. Nun kehrt der Wolf nach und nach von alleine in seine alte Heimat zurück. Er findet hier wieder passenden Lebensraum und genügend Nahrung, die hauptsächlich aus Wildtieren wie Hirschen, Rehen und Wildschweinen besteht. Erfahrungen aus den Nachbarländern zeigen, dass ein konfliktarmes Zusammenleben von Mensch, Schaf und Wolf möglich ist – wenn der Mensch dazu bereit ist.
Dazu braucht es im Moment in Österreich ein sicheres Finanzierungsmodell für Herdenschutz-Maßnahmen, eine unbürokratische Schadensabgeltung und intensive Aufklärungsarbeit. Es gibt sehr viele Lösungsansätze. Wir fordern, dass diese nun auch effektiv umgesetzt werden.
Warum kann man die Wölfe nicht einfach bejagen?
Einerseits ist der Wolf im Rahmen internationaler Gesetze und Verordnungen geschützt. So ist er unter anderem in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie als prioritäre Art aufgelistet und als streng zu schützende Art angeführt. Andererseits gibt es derzeit auch keine Nachweise, dass beispielsweise Viehherden durch eine gezielte Bejagung geschützt werden können.
Solche Maßnahmen haben sich sogar als kontraproduktiv herausgestellt, wie eine im Jahr 2016 erschienene Studie im US-amerikanischen Fachjournal „Frontiers in Ecology and the Environment“ beweist. Getötete Wölfe führten in fast einem Drittel der untersuchten Fälle zu mehr Nutztier-Schäden, weil durch solche Eingriffe die soziale Struktur in Wolfsfamilien durcheinandergebracht wird. Herdenschutzmaßnahmen und visuelle Abschreckungen wie Flatterbänder hingegen erfreuten sich großer Wirksamkeit. In 80 Prozent der untersuchten Fälle nahmen die Risse deutlich ab. Der Abschuss einzelner Wölfe zum Schutz von Schafherden greift deshalb zu kurz oder ist sogar kontraproduktiv. Der Abschuss eines Elterntieres kann beispielsweise dazu führen, dass Wölfe ihr Jagdverhalten ändern, einzeln auf die Jagd gehen und wegen der fehlenden Erfahrung auf leichter zu erbeutende Tiere wie ungeschützte Schafe ausweichen müssen, anstatt Wildtiere zu fressen.
Mensch und Wolf
Wie kann das Zusammenleben von Mensch und Wolf funktionieren?
Ein gutes Management schafft die Voraussetzungen für ein möglichst reibungsloses Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf. Der WWF setzt sich für ein Management ein, das sowohl die Interessen der Betroffenen als auch die ökologischen Herausforderungen berücksichtigt. Engagierte, länderübergreifende Schutzbemühungen innerhalb der EU sind für den Wolf bzw. andere weit wandernde Tierarten von großer Bedeutung.
An Herdenschutz-Maßnahmen führt kein Weg vorbei, wenn man eine möglichst konfliktarme Koexistenz mit dem Wolf erreichen und Schafe effektiv schützen will. In unserem Nachbarland Schweiz sowie in Frankreich und Italien hat man mit solchen Herdenschutzprojekten bereits gute Erfahrungen gemacht.
Wie funktioniert das Zusammenleben von Mensch und Wolf in anderen Ländern?
Grundsätzlich sind die Gegebenheiten in den Ländern unterschiedlich, sodass sie nicht immer miteinander zu vergleichen sind und keine Verallgemeinerungen erlauben. Aber die Erfahrungen zeigen, dass gerade in jenen Ländern, in denen der Wolf nicht oder nur kurz ausgestorben war, die Tradition um das Zusammenleben mit diesen Tieren noch vorhanden ist und gut funktioniert.
In Österreich ist das Wissen über das Zusammenleben nicht vorhanden. Teilweise wird es auch nötig sein, manche Gewohnheit zu ändern und Kompromisse einzugehen. Zugegeben: Es gibt viele Herausforderungen. Die Rückkehr des Wolfes ist aber als ein natürlicher Faktor in unserer Natur zu betrachten. Wölfe stabilisieren somit Ökosysteme und ihre Anwesenheit wirkt sich positiv auf die Natur aus. So hält der Wolf den Wildbestand in guter Kondition, denn in einem Wald, in dem der Wolf jagt, können kranke oder schwache Tiere nicht lange überleben.
Wie gefährlich ist der Wolf für den Menschen?
Die Gefahr, von einem Wolf angegriffen zu werden, liegt nahezu bei Null. Die Wahrscheinlichkeit, dass einem beim Spaziergang im Wald ein Ast auf den Kopf fällt, ist dagegen weitaus höher. Auch wenn der Wolf das Potenzial hat, Menschen zu verletzen, wird ihre Gefährlichkeit oft weit überschätzt. Genauso wie anderen Wildtieren sollte man auch Wölfen mit Respekt begegnen und ihnen nicht nachlaufen und sie keinesfalls füttern.
Was mache ich, wenn ich einem Wolf begegne?
Kaum jemand wird es bemerken, wenn Wölfe in der Nähe sind. Sogar wenn sich die Tiere direkt neben einem Wanderweg befinden, verbergen sie sich zumeist und warten, bis die Menschen an ihnen vorbeigegangen sind. Denn fühlt sich ein Wolf entdeckt, weicht er normalerweise aus und tritt den Rückzug an. In Gebieten, in denen Wölfe dauerhaft leben, wird es früher oder später zu kurzen Beobachtungen von Wölfen kommen. Denn es kann sein, dass Menschen das Interesse von Wölfen erregen und Wölfe Menschen aufmerksam beobachten. Das ist völlig natürlich. Grundsätzlich sollte man bei Wolfsbegegnungen Ruhe bewahren. Denn merken Wölfe, dass man auf sie aufmerksam geworden ist, verziehen sie sich in der Regel schnell und leise. Dass Hunde bei Spaziergängen und Wanderungen in Gebieten, in denen Wildtiere leben, an der Leine zu führen sind, sollte selbstverständlich sein.
Falls der Wolf nicht von selbst wegläuft, dann sprechen Sie laut oder klatschen Sie kräftig in die Hände. Laufen Sie nicht weg, sondern entfernen Sie sich allenfalls langsam rückwärts. Sollte der Wolf Ihnen wider Erwarten folgen, bleiben Sie stehen und versuchen Sie ihn einzuschüchtern, indem Sie sich groß machen, ihn lautstark anschreien und eventuell etwas nach ihm werfen.
Ist es für Kinder noch sicher, allein im Wald zu spielen?
Grundsätzlich sollten insbesondere kleinere Kinder nicht ohne Aufsicht im Wald spielen, egal ob im Wolfsgebiet oder nicht. Kinder können sich aber so wie in anderen Regionen, in denen Wölfe leben, im Wald aufhalten. Um das Risiko von Unfällen mit Wildtieren zu minimieren, sollten jedoch einige Verhaltensweisen im Zusammenleben mit allen Wildtieren beherzigt werden.
Wildtieren sollte man immer mit Respekt begegnen. Das heißt, man soll ihnen nicht nachlaufen, sondern Abstand halten. Insbesondere Wölfe sollte man keinesfalls anfüttern oder deren Wurfhöhlen aufsuchen. Solche Vorsichtsmaßnahmen gelten für den Umgang mit allen Wildarten, die wehrhaft sind (Wildschweine) oder Krankheiten übertragen können (Füchse).
Herdenschutz
Wie funktioniert der Herdenschutz genau?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Weidetiere zu schützen. Je nach Art, Haltungsbedingungen, Gelände und anderen Faktoren unterscheiden sich die Methoden. So wird zum Beispiel in der Schweiz neben rein betrieblichen Anpassungen wie Einstallen oder dem Anpassen des Weidemanagements vor allem mit Herdenschutzhunden und elektrifizierten Zäunen (z.B. 90 cm hohe Netzzäune) gearbeitet. Entscheidet man sich für Herdenschutzhunde, richtet sich deren Zahl wiederum nach der Größe der zu schützenden Herde und dem Gelände. Oft ist es notwendig, dass zusätzlich Hirten und deren Hütehunde in Kombination mit Herdenschutzhunden die Herde betreuen.
Denn die mit Hunden zu schützenden Nutztierherden sollten möglichst kompakt und homogen sein. Anpassungen in der Bewirtschaftungsweise oder Herdenzusammenlegungen sind daher manchmal unumgänglich. Unverzichtbar sind zudem Motivation und Engagement von Nutztierhalter*innen und/oder Alpbewirtschafter*innen, um Herdenschutzmaßnahmen erfolgreich umsetzen zu können. Doch der Einsatz von fachkundigen Hirten hat auch eine Reihe von Vorteilen: Die Herde wird bestens versorgt, weil der Hirte sie zu jeweils passenden Weiden führen kann. Die Weideflächen werden optimal abgegrast, Über- und Unterbeweidung vermieden. Das nützt auch der Artenvielfalt auf den Almen. Außerdem kann sich die stets anwesende Hirtin bzw. der Hirte bestmöglich um setzende Schafe, junge Lämmer sowie kranke und verletzte Tiere kümmern.
Warum reicht oft schon ein Elektrozaun?
Wölfe reagieren empfindlich gegenüber elektrischen Schlägen. Daher eignen sich Elektrozäune, um Weidetiere zu schützen. Wölfe machen dadurch schlechte Erfahrungen und werden daher solche Orte meiden und auf andere Beute ausweichen. Voraussetzung ist natürlich, dass diese Zäune fachgerecht installiert sind und genügend Strom führen. Der Zaun ist somit nicht nur eine physische Barriere, sondern stellt vor allem ein psychisches Hindernis dar. Nur in sehr seltenen Fällen gelingt es Wölfen Zäune zu überspringen.
Halten Herdenschutzprojekte überhaupt, was sie versprechen?
In der Schweiz sowie in Frankreich und Italien hat man mit Herdenschutzprojekten bereits gute Erfahrungen gesammelt. Werden Herdenschutzmaßnahmen fachgerecht umgesetzt, dann wirken sich großteils auch. Wichtig ist jetzt, die gewonnen Erkenntnisse auch hierzulande umzusetzen und Herdenschutz in ganz Österreich zu etablieren. Auch wäre es wichtig, aus den Fehlern, die in anderen Nachbarländern gemacht wurden, zu lernen.
Ein erster Schritt dazu war das „Modellprojekt Herdenschutz“ das 2014 von der Nationalen Beratungsstelle Herdenschutz auf der Ochsenalm in Kals am Großglockner gestartet ist. Dort wurden unterschiedliche Konzepte zum Schutz von Nutztierherden vor großen Beutegreifern auf ihre Anwendbarkeit in den österreichischen Alpen hin in der Praxis erprobt. Das Projekt hat wichtige Erkenntnisse gebracht und gezeigt, dass in Österreich noch an einigen Schrauben gedreht werden muss, damit Herdenschutz auch machbar ist. Im Moment fehlen dafür die Voraussetzungen.
Pilotprojekte gibt es derzeit auch in Tirol. Diese haben auch schon erste Erfolge gezeigt. Insgesamt wird die Umsetzung des Herdenschutzes in Österreich jedoch viel zu zögerlich angegangen.
Warum gibt es nicht mehr Herdenschutzprojekte in Österreich?
Es fehlt derzeit in vielen Bundesländern am politischen Willen, Nutztiere besser zu schützen. Die Diskussionen um das Thema Herdenschutz werden derzeit sehr emotional und unsachlich geführt.
Langfristig braucht die Almwirtschaft ein sicheres Finanzierungsmodell für Herdenschutzmaßnahmen, eine unbürokratische Schadensabgeltung und intensive Aufklärungs- und Informationsarbeit. Es braucht aber auch Rahmenbedingungen und kleine gesetzliche Anpassungen, damit Herdenschutz in Österreich umgesetzt werden kann.
Zum Beispiel braucht es eine Versicherung für Landwirte, falls Herdenschutzhunde einmal zubeißen sollten und Personen dadurch zu Schaden kommen. Es braucht auch eine Änderung im Tierschutzgesetz, denn im Moment müssten auch für Herdenschutzhunde in Österreich Unterstände gebaut werden. Herdenschutzhunde sollen aber auch bei Schlechtwetter bei der Herde sein und sich nicht im Unterstand aufhalten. Es gibt sehr viele Lösungsansätze, aber die Rahmenbedingungen, um Herdenschutz umzusetzen, fehlen derzeit noch.
Weshalb sollten Herdentieren vor Beutegreifern geschützt werden?
Wölfe sind überwiegend Fleischfresser und fressen grundsätzlich das, was sie leicht erbeuten können. Das heißt, dass die jeweils häufigsten Schalenwildarten eines Gebietes – in Mitteleuropa in der Regel Rotwild, Rehe, Wildschweine oder Gamswild – zur Hauptbeute der Wölfe zählen. Aber auch kleinere Wildtierarten wie Biber, Dachs, Hase, Waschbär bis hin zur Maus sowie kleinere Beutegreifer wie Füchse oder Marderhunde zählen zu den Beutetieren. Falls Nutztiere (insbesondere Schafe und Ziegen) allerdings nicht ausreichend geschützt sind, kann der Wolf auch sie als „leichte Beute“ annehmen.
Einer Untersuchung aus Deutschland zufolge ernährt sich der Wolf zu über 96% von Wild. Das sind die Ergebnisse einer Analyse von über 2.000 Kotproben des Wolfes. Nutztiere, wie zum Beispiel Schafe, machen dagegen weniger als 1% aus.
Wie können Schafe und andere Nutztiere vor den Wölfen geschützt werden?
Mit der Ausrottung der Großraubtiere im 19. Jahrhundert verschwanden auch die Traditionen der Schadensabwehr. Doch naturschutzgerechte Schafbeweidung und Herdenschutz schließen sich nicht aus. Um beispielsweise Schafherden vor eindringenden Wölfen zu schützen, hat sich in einigen Ländern eine Sicherung der Weideflächen mit Elektrozäunen in Kombination mit speziell ausgebildeten Herdenschutzhunden bewährt. In der Schweiz werden derzeit etwa 220 solcher Gebrauchshunde eingesetzt. Dort ging die Anzahl der Risse pro Wolf zurück, obwohl der Wolfsbestand in den letzten Jahren auf mehr als 20 Familienverbände angestiegen ist.
Warum sollen Wölfe oder Bären mehr wert sein als Schafe?
Es geht nicht darum zu beurteilen, ob Wölfe oder Schafe mehr wert sind. Denn der WWF ist davon überzeugt, dass in unserer Landschaft beide Platz haben. Unsere Nachbarländer zeigen vor, dass auch in Anwesenheit großer Beutegreifer Schafhaltung betrieben werden kann. Im Trentino und der Schweiz hat etwa die steigende Anwesenheit von Wölfen nicht dazu geführt, dass weniger Schafe auf den Almen stehen – im Trentino hat sich deren Zahl sogar deutlich erhöht.
Wölfe gelten laut der europäischen Fauna-Flora-Habitatrichtlinie und den nationalen Gesetzen außerdem als besonders schützenswert. Österreich hat sich mit dem EU-Beitritt dafür entschieden, diese Richtlinie national mitzutragen – mit anderen Worten: Entscheiden sich Wölfe auch in Österreich wieder sesshaft zu werden, darf das Land das nicht verhindern.
Die Sorge der Landwirte um ihre Tiere ist verständlicherweise groß. Deshalb setzt sich auch der WWF für Herdenschutzmaßnahmen ein, damit eine Koexistenz möglich ist. Die Kosten für Herdenschutz sind nicht unerheblich und können nicht von den Bäuerinnen und Bauern allein getragen werden.
Wald und Wolf
Wie wirkt sich die Anwesenheit des Wolfes auf unsere Wälder aus?
Im Wald ist es wichtig, dass es einen Generationenwechsel gibt und der Wald durch neue Bäume verjüngt wird. In vielen Teilen Österreichs gibt es aber zu wenig junge Bäume. Dafür gibt es zum einen forstliche Gründe. Zum anderen verhindern überhöhte Schalenwildbestände (also etwa Rehe oder Rotwild) die natürliche Waldverjüngung, weil sie die jungen Bäume fressen. Ist ein Beutegreifer wie der Wolf regelmäßig im Wald, kann sich die Verteilung der Verbissschäden durch das Wild an den Bäumen ändern. Das liegt daran, dass sich die Rotwild-, Reh- und Gams-Bestände anders verteilen, wenn sie vor Beutegreifern flüchten.
Die Frage der Verbiss-Schäden ist maßgeblich abhängig von der jeweiligen Waldstruktur sowie anderen Faktoren (Wildarten, Störungen). Ein entscheidender Faktor ist das natürliche Nahrungsangebot für das Wild und die Waldzusammensetzung. Wölfe leisten schon jetzt einen ersten wertvollen Beitrag, in dem sie die nicht-einheimische und stark waldschädigende Wildart Mufflon effizient beseitigen.
Weshalb gehört der Wolf zur „Gesundheitspolizei“ des Waldes?
Die Anwesenheit des Wolfes wirkt sich positiv auf die Gesundheit des Wildbestandes in unseren heimischen Wäldern aus. Das liegt daran, dass der Wolf die Wildtiere in unseren Wäldern, vor allem Rotwild, Rehe, Wildschweine oder Gamswild in guter Kondition hält. Denn ein altes, sehr junges oder krankes Tier ist weniger aufmerksam und leichter zu reißen als gesunde, flinke und wehrhafte Tiere. Außerdem können Wölfe kranke Tiere schon bemerken, noch bevor die Erkrankung für den Menschen sichtbar wird.
Demnach fungieren Wölfe genau wie Bären und Luchse als „Gesundheitspolizei“ des Waldes, weil sie kranke Wildtiere viel effizienter aus dem Bestand entnehmen als jede/r noch so eifrige Jäger*in. Mit dieser Fähigkeit helfen sie dabei, die Ausbreitung von Krankheiten unter den Wildtieren zu reduzieren.
Werden die Wölfe den Wildbestand in unseren Wäldern gefährden?
Bisher gibt es für Mitteleuropa keine Hinweise darauf, dass Wölfe die Dichte eines Wildbestandes dauerhaft reduzieren. Weder in der Lausitz in Deutschland, noch in Italien, Slowenien oder der Slowakei wurde ein direkter Zusammenhang zwischen Schalenwilddichte, Jagderfolg und Wolfsvorkommen gesichert dokumentiert. Untersuchungen in Skandinavien zeigen, dass die Dichte großer Beutetiere durch die Anwesenheit von Wölfen nicht „automatisch“ gesenkt wird. Denn die Dichte des Wildbestandes ist immer ein Produkt vieler verschiedener Einflussgrößen, unter denen das Nahrungsangebot das Wichtigste ist. Hohe Wildtierbestände gibt es wegen eines hohen Nahrungsangebotes. Österreich hat sogar eine der höchsten Schalenwilddichten Europas.
Das Wild kann aber seine Einstände, Rückzugsflächen und sein Verhalten ändern. Grundsätzlich sind die Gegebenheiten in den Gebieten aber so verschieden, dass sie nur schwer miteinander zu vergleichen sind und keine Verallgemeinerungen erlauben.
Der Wolf kann aber die Biodiversität einer Region sogar insgesamt erhöhen. Wenn Wölfe etwa mehr Säugetiere wie Füchse oder Goldschakale und große Pflanzenfresser jagen, profitieren davon die Beutetiere der Räuber bzw. die Futterpflanzen. Denn sie haben dadurch weniger Fressfeinde.
Politische Fragen
Ist der hohe Schutzstatus des Wolfs noch zeitgemäß?
Die Mitgliedstaaten in der EU haben sich durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) dazu verpflichtet, das gemeinsame Naturerbe zu schützen und einen „günstigen Erhaltungszustand“ für den Wolf zu erreichen. Diese Verpflichtung gilt für jeden Mitgliedstaat. Länder wie Italien, wo es etwa 3300 Wölfe gibt, haben diese Verpflichtungen bereits erfüllt. Österreich ist mit seinen wenigen Rudeln noch weit von seiner Verpflichtung entfernt und kann sich nicht darauf ausruhen, dass andere Länder wie Italien oder Deutschland die Bemühungen zum Schutz unseres Naturerbes übernehmen.
Im Naturschutz geht es außerdem nicht nur um den Erhalt der Art an sich, sondern auch um den Erhalt ihrer Rolle im Ökosystem. Wölfe spielen in unserer Natur eine wichtige Rolle. Deswegen ist es wichtig, dass Wölfe auch in Österreich ihre Rolle ausüben können.
Wer ist in Österreich für den Wolf „zuständig“?
Die ehemals ausgerotteten Wölfe sind heutzutage in Europa im Rahmen internationaler Gesetze und Verordnungen geschützt. So ist der Wolf unter anderem in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie als prioritäre Art aufgelistet und als streng zu schützende Art angeführt.
Die Mitgliedsländer der EU haben sich verpflichtet, diese Richtlinien in der nationalen Gesetzgebung zu verankern und somit mitzutragen. In anderen Worten: Wenn Wölfe von selbst zu uns zurückkehren, darf Österreich das nicht verhindern, sondern muss geeignete Maßnahmen treffen, um diese Rückkehr zu begleiten und sicherzustellen, dass der Wolf nicht ausstirbt, sondern den günstigen Erhaltungszustand erreicht.
Das Wildtiermanagement, also die Umsetzung von Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles, obliegt den Landesbehörden. Zuständig sind je nach Bundesland unterschiedliche Stellen: die Naturschutz- und/oder Jagdrechtsabteilungen der Landesregierungen. Als gemeinsames Gremium dient das Österreichzentrum Bär Wolf Luchs und als gemeinsamer für den Umgang mit den Beutegreifern seit 2012 der Managementplan Wolf, der 2021 überarbeitet wurde.
Erhalten Landwirt*innen Entschädigungszahlungen für Verluste an Herdentieren durch den Wolf?
Es gibt einen offiziellen behördlichen Leitfaden für alle Angelegenheiten im Umgang mit den Beutegreifern Braunbär und Wolf in Österreich. Dieser „Managementplan Wolf“ wurde von Behörden, Interessensvertretungen etwa aus der Land- und Forstwirtschaft bzw. der Jagd sowie Wissenschaftler*innen und dem WWF gemeinsam erarbeitet, liegt seit 2012 vor und wurde 2021 überarbeitet. Darin finden sich Grundlagen und Empfehlungen unter anderem für Herdenschutzmaßnahmen. Auch wie der Umgang mit auffälligen Tieren erfolgen soll, wird darin beschrieben. Kommt es dennoch zu einem Riss soll es eine rasche finanzielle Abgeltung der Schäden geben.
Die Abwicklung der Entschädigungszahlungen erfolgt jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Nicht in allen Bundesländern werden derzeit Entschädigungen gezahlt.
Erhalten Landwirt*innen Unterstützung für die Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen?
Es gibt einen offiziellen behördlichen Leitfaden für alle Angelegenheiten im Umgang mit den Beutegreifern Braunbär und Wolf in Österreich. Dieser „Managementplan Wolf“ wurde von Behörden, Interessensvertretungen etwa aus der Land- und Forstwirtschaft bzw. der Jagd sowie Wissenschaftler*innen und dem WWF gemeinsam erarbeitet, liegt seit 2012 vor und wurde 2021 überarbeitet. Darin wird empfohlen Schäden durch Präventionsmaßnahmen so weit wie möglich zu verhindern.
Weidetierhalter*innen wirtschaften allerdings bereits unter schwierigen Bedingungen. Die Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen bedeutet einen weiteren Aufwand, der aus Sicht des WWF Österreich finanziell abgegolten werden sollte.
Die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen läuft jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ab. Nicht in allen Bundesländern werden derzeit Präventionsmaßnahmen finanziert.
Wer soll die Kosten für den Umgang mit den Wölfen tragen?
Langfristig haben Wildtiere nur dann eine Chance, in Frieden mit uns zu leben, wenn wir bereit sind, unseren Lebensraum mit ihnen zu teilen. Problematisch ist es, wenn die von der Rückkehr der Wölfe verursachten „Kosten“ nicht gleichmäßig verteilt sind: Während einige gleichgültig mit den Schultern zucken, beklagen Betroffene Schäden und erleiden Verluste. Damit Kosten und Nutzen eines Wildtieres, sei es Wolf oder Rothirsch, gleichberechtigt auf viele Schultern verteilt werden und keine Gruppe allein die Last zu tragen hat, müssen Rahmenbedingungen geschaffen und Weichen gestellt werden.
Ziel sollte es dabei sein, einerseits dem Wolf die Rückkehr zu ermöglichen und andererseits ein möglichst konfliktfreies Zusammenleben zu gewährleisten, bei dem sowohl die Interessen der Landnutzer*innen als auch jener des Naturschutzes berücksichtigt werden. Österreich hat sich aufgrund von EU-Vorgaben zum Schutz der Wölfe und damit auch zum Herdenschutz verpflichtet. Somit muss in erster Linie die öffentliche Hand für die Kosten, die dabei entstehen, aufkommen.